Derzeit passieren genug Dinge, die mich an der Menschheit und meiner Einstellung zum Leben zweifeln lassen. Das passiert immer öfter in den letzten Monaten und endet meist damit, dass ich irgendwann so emotionsohnmächtig bin, dass ich entweder mich selbst oder die ganze Welt verachte. Oder schlimmer: Mich mit Serien ablenke. Weder NihilistIn, noch MenschenhasserIn zu werden ist eine Kunst, die ich zur Zeit täglich trainieren muss. Wenn es euch auch so geht, hilft euch vielleicht der folgende Text.
Manchmal kann und will ich nicht mehr. Dann ende ich in einer Angst, die mir den Hals zuschnürt oder in einer Wut, die sich gegen Menschen im Allgemeinen oder Freunden im Besonderen richtet. Zwischen Facebook-Kommentaren, extremistischen Fanseite und Nachrichtenartikeln verschiedener politischer Strömungen versuche ich mich zurecht zu finden. Versuche unaufhörlich Empathiearbeit zu leisten und denke grundsätzlich, dass wir alle Kinder unserer Sozialisation sind. Wir tun Dinge aus gewissen Gründen, seien sie uns bewusst oder nicht.
Aber irgendwann kann auch ich nicht mehr und bin in einer Gefühlsstockstarre. An solchen Punkten ist es für mich wichtig zu realisieren, dass so eine Starre und Demotivation dem Leben gegenüber respektlos ist und man irgendwie den Arsch wieder hochkriegen muss.
Zerdenken macht irre, Ignoranz naiv
Am Wochenende habe ich mich bewusst Facebook entzogen, weil ich wusste, meine Gedanken würden sich nur im Kreis drehen. Ich habe die emotionalisierten Fotostrecken gemieden, mich auf die Sondersendungen im Radio konzentriert und ab einem bestimmten Punkt ganz aufgehört Informationen aufzunehmen. Viele Geschehnisse in der Welt können einen runterdrücken, belasten und einem die Energie abzwacken, was auch daran liegt, dass es oft nur die krassen, schlimmen und schrecklichen Ereignisse in die News schaffen und man sie gebündelt abbekommt. Natürlich muss man sich mit vielen Dingen befassen. Informiert sein, ist King. Man darf sich dem lauten Medien- und Social Media Echo jedoch bewusst mal entziehen.
Reflektieren statt reagieren
Menschen, die es schaffen zu reflektieren und einen Moment in sich zu ruhen, bevor sie auf Themen reagieren, sind meine wahren HeldInnen. Ich versuche das auch zu schaffen, zwinge mich kein stumpfes Like und keine aggressiven Kommentare unter Postings zu schreiben. Manche Themen sind so komplex und überemotionalisiert, dass man erstmal atmen und die Puzzleteile zusammenbringen muss.
Da draußen gibt es viele Meinungen und Dank Facebook etc. sind sie so sichtbar wie nie. Das kann ein demokratischer Vorteil sein, verlangt aber von uns auch einiges mehr an Medienkompetenz. Ich sauge ganz viele Infos in mich auf, um dann später, langsamer und ohne Smartphone eine Meinung daraus zu bauen. Ich diskutiere, stelle Fragen und kämpfe keinen Kampf, der darauf abzielt herauszufinden, wer die richtige und wer die falsche Meinung hat. Ich schaue mir an, warum Flaggen-Profilbilder ein Trost für manche Menschen sein können, lese mir aber auch durch, was andere daran ziemlich verquer finden.
Diskussionskultur weicht Meinungsmache
Viele Menschen wollen leider gar nicht diskutieren, sie wollen einfach nur ihre Meinung verbreiten und suchen nach Schuldigen. Aufeinander loszugehen, um herauszubekommen, wer die bessere Solidarität zeigt, ist in meinen Augen ein absurdes Phänomen. Es ist nicht leicht, aber es hilft, wenn man sich bewusst macht, dass es immer Menschen gibt, die gegen einen sein können. Egal, wie gut man irgendwas gemeint hat oder wie gut man in irgendetwas ist. Meistens ist diese Kritik dann auch kaum gewinnbringend, denn außer der Beschwerden selbst, bringt sie nichts hervor. Kein Gegenvorschlag, kein an die Hand nehmen, keine Ideen.
Egal, ob rosa tragende FeministInnen oder rauchende VeganerInnen: Man muss nicht sofort alles perfekt hinbekommen und morgen allein die Welt retten.
Angst und Zweifel blockieren nur
Ich habe das Gefühl, dass wir oft viel Zeit damit verbringen uns zu überlegen, wie das Leben sein kann oder soll. Dabei vergessen wir das „Jetzt“ zu leben. Das soll nicht bedeuten, dass ich dieses Problem abtun will. Es ist absurd, aber es ist eine wirkliche Lebensbremse. Wenn ihr euch jetzt ausmalt, was alles passieren kann oder wer alles dumme Sachen sagt oder tut, dann seid ihr mehr mit euren Horrorszenarien beschäftigt als mit dem wirklichen Leben. Traut euch mal ohne digitale Ablenkung in die Bahn oder schaut einfach mal 30 Minuten an die nackte Wand. Seid bei euch, blendet das große Rauschen aus und spürt euch wieder ein bisschen selbst. Es fetzt Dinge zu überdenken, aber dazu braucht man auch mal Ruhe und wenn sich alles langsam fügt, kann man anpacken statt „hätte hätte Fahrradkette“ mit erhobenem Zeigefinger zu spielen.
Alles sinnlos? Setzt bei euch an
Wenn überwältigende Dinge auf der Welt passieren, kann es einem schwerfallen die Sinnhaftigkeit in Dingen zu finden oder sich an ihnen zu erfreuen. Bei manchen Good life Instagram Bildern würde ich manchmal am liebsten kotzen und alle Menschen schütteln und sie fragen, was denn am Ende noch übrig bleibt, wenn sie noch besser, länger, effektiver arbeiten, konsumieren, verlangen. Zeitgleich bringt es niemanden etwas, wenn ich oder sie täglich 3 Stunden weinend in der Ecke sitzen. Meine Antwort kann also nur einen Gegenvorschlag sein: Geht raus und helft, dass Dinge, die euch Angst machen gar nicht erst entstehen!
Als ich am Sonntag mal wieder in ein Loch fiel, weil ich nicht so recht wusste, in welche Welt ich da reingeboren wurde, hatte ich die Wahl entweder traurig und verkatert in meinem Bett zu bleiben oder etwas zu machen. Ich bin losgegangen, habe mich unter den Regenschirm einer Freundin gehakt und bin im Flüchtlingsheim um die Ecke gelandet. Das war besser, als mich selbst in einer Soße zu suhlen, in der mein Selbstmitleid die Hauptzutat ist. Man kann nicht stillstehen, man muss immer weiter machen, nur darum geht es.
Du weißt nicht, wie du es finden sollst, dass täglich so viele Menschen hier einreisen und was das werden soll? Geh hin, triff sie, sei die Zukunft für ein kleine Mädchen, dass durch dich die Vokabeln für Stern, Herz oder Haus gelernt hat. Du fühlst dich einsam? Lade Freunde ein oder rufe sie an (ja genau, anrufen, kein WhatsApp!).
Jeden Morgen aufs Neue
Ich muss mich regelmäßig als Gutmensch beschimpfen lassen, als würde ich nicht verstehen, was das für ein böse Welt da draußen ist, das der Mensch an sich ein Monster sei etc. Doch das lasse ich mir nicht einreden. Ich glaube daran, dass viele Menschen Politik studieren, weil sie Dinge zum Wohl der Bevölkerung entscheiden wollen oder JournalistInnen werden, weil sie Wahrheiten aufdecken wollen und Respekt vor der Informationsgesellschaft haben. Zeitgleich kann ich die Gleichschaltungsmechanismen der Global Player hinterfragen und Weingespräche (Getränk, nicht Salzwasser aus den Augen) über digitale Kolonialisierung führen. Wir sind nicht hilflos, das müssen wir uns gar nicht einreden lassen und die Welt weghassen hat noch niemanden geholfen.
Sei Herzbrausepulver für die Menschen um dich herum!
Selbst wenn auch das alles nicht stimmt, selbst wenn wirklich alles so schlimm ist, muss ich kein Arschloch sein, nur weil die Welt voller Arschlöcher ist. Resignation killt jegliche Motivation und sorgt nur dafür, dass man sich wieder dem Negativstrudel-System fügt. Es ist jeden Morgen Zeit und Möglichkeit für einen Neuanfang da. Wer zynisch sein will, herzlichen Glückwunsch, aber Bitch, don’t kill my vibe!
Ich möchte das Gute im Leben anderer sein. Ich will diejenige sein, die für andere da ist, die ihnen den harten Rand an der Stulle des Lebens abschneidet, die Überraschungspartys für sie schmeißt, die mit Schoki um die Ecke kommt, wenn mal wieder alles schlimm ist und Menschen mobilisiert, um gemeinsam etwas zu machen. Um gemeinsam zu leben. Damit eben nicht jeder für sich allein und geplättet auf seinem Sofa sitzt und sich versucht online von der Realität abzulenken oder einem Leben nachtrauert, dass er oder sie niemals führen wird. Denn darum geht es doch eigentlich: Die klischeehafte und doch wahre Suche nach dem Glück. Für mich und für euch.
Was hilft euch jeden Morgen aufzustehen? Ist Glück überbewertet? Und habt ihr die Zauberhaftigkeit bemerkt, die mich dieses Herz bewusst auf den Mittelfinger hat malen lassen? Sagt’s mir in den Kommentaren!
Ganz toller Text, liebe Laura! Und dein Stil, den mag ich. Sehr.
Ein Herz auf dem Mittelfinger ist großartig. Noch besser finde ich, dass Du immer zuerst die Faxnummer anrufst, aber das nur am Rande. 😉 Toll geschrieben, richtig gut! Habe Deinen Blog gerade durch das Surf-Thema entdeckt. Wird gleich mal weiter empfohlen.
Liebe Janine,
da hüpft mein Herz gleich am Morgen! Schön, dass du hierher gefunden hast und ich hoffe, dass du ein Weilchen bleibst! Mach es dir schonmal bequem, denn es werden noch einige fetzige Sachen kommen. Danke und ein Knicks.
[…] Und wenn es mal wieder ganz schlimm wird, lies das hier: Wie man jetzt weitermacht […]