Wer in Irland wohnen will, muss wohl oder übel einige Wohnungsbesichtigungen (viewings) über sich ergehen lassen. Während es in den letzten Jahren angeblich immer leicht war ein Zimmer bekommen, hieß es in diesmal sogar im Radio, dass sich die Lage auf dem Wohnungsmarkt zugespitzt habe.
Eigentlich suchen fast alle unter daft.ie nach Wohnungsangeboten. Hier sieht man Bilder, hat ein paar Infos und muss in den meisten Fällen schnell anrufen und ein Treffen ausmachen. Viele bezahlbare Angebote sind in typischen alten irischen Häusern, die schmal und verwinkelt sind. Wichtigster Unterschied ist hier erstmal „owner occupied“ oder nicht. Das zeigt an, ob der Besitzer mit im Haus wohnt oder es nur als „Landlord“ (klingt krasser, als es ist) vermietet. Mittlerweile vermieten nämlich viele Privatpersonen einfach ein Zimmer in ihrem Haus.
Nehmen, was man kriegen kann
Ich kannte das Prinzip WG-Casting, doch hier sehen sich oftmals einfach ganz viele Menschen ein Zimmer an, haben das Gespräch nur mit dem Besitzer, ohne die anderen Mitbewohner je gesehen zu haben und müssen im besten Fall sofort zusagen. Nichts mit Beschnuppern oder „Vibe“ fühlen. Als Berliner fällt man natürlich bei den Preisen von jeglichem übrig gebliebenem Glauben ab. Beispiele:
+ 7 qm Zimmer mit Bett, kaputten kleinen Schrank und schmalem Fenster sowie Minischrank im Flur zusammen mit drei anderen Menschen und widerlichem Bad 35 Min. zu Fuß vom Stadtzentrum entfernt = 370€ warm.
Aber zumindest ging es mir mit meinen Begegnungen besser als meiner Kommilitonin Sophie, die aufeinmal bei einem spanisch sprechenden Mann auftauchte, der in einem Kellerloch mit freilaufenden Chinchillas lebt und auf die Frage hin, warum alles so anders als in seiner Wohnungsanzeige aussähe nur meinte, dass angeblich gerade renoviert worden war. Ahja!
Stylische Menschen bedeuten nicht schöne Wohnungen
Wenn man in ein anderes Land geht, lernt man sich selbst und seine Heimat doch noch einmal anders kennen. Während meine Mutter sicher widersprechen würde, scheine ich doch sehr ordentlich für internationale Verhältnisse zu sein. Das erste, was mir in Dublin auffiel: Egal wie schön und gestyled die Menschen aussehen, ihre Wohnungen können komplett verkeimt sein und die Iren scheinen (ganz allgemein gesprochen) nicht so viel Wert auf die häusliche Gemütlichkeit zu legen, was mir auch andere Iren bestätigten. Manche Räume sehen einfach aus, als würde darin seit Jahren niemand wohnen.
Vieles ist zweckmäßig, Haken werden generell schief angebaut und eine feine Staubschicht habe ich noch in jeder Wohnung gefunden. Ganz zu schweigen von den Bädern! Ich habe mit meiner jetzigen Unterkunft sehr viel Glück, aber siehe Headerbild, ist der Schimmel ein treuer Begleiter in den Wohnungen Dublins, die ich gesehen habe.
(Verwirrendes Regenrinnenkonzept)
Während ich in Berlin nach einem Balkon lechze, haben hier viele Häuser einen kleinen Garten vor oder hinter dem Haus. Diese Orte werden sehr oft aber gar nicht genutzt und erinnern dann eher an einen traurigen Steinfriedhof. Während man von außen also oft denkt: Oh, so ein schönes niedliches kleines Haus mit bunter Tür! Ist es von Innen dann doch eher ein bisschen rumpelig und kalt. Natürlich gibt es auch viele Ausnahmen, wie unsere erste Unterkunft.
Ich wohne jetzt in einem gemütlichen Zimmer auf dem Dachboden mit eigenem Bad im Haus einer irischen Familie, deren Kinder alle aus dem Haus sind. Für ca. 12qm + Bad mit Dusche zahle ich 450€ warm und wohne in Kilmanhaim etwas außerhalb. Die Küche wird geteilt. Kleines Video vom Raum: elvs ungemachtes Bett.
Wegen dieser Fokussierung und meiner Pünktlichkeit wurde ich auch schon am vierten Tag als „Soooooo German“ betitelt. Wir waren in einem Pub und eigentlich seit 10 Minuten mit den nächsten Freunden verabredet und ich wurde langsam unruhig, zack! erfüllte ich mein Klischee. Zusammen mit dem Fakt, dass ich immer noch kein Stout & Ale trinke und dem ständigen Listenschreiben wurde ich als typical German enttarnt. Was einem hier auch jeder an den Kopf wirft: German efficiency!
Aber hey, den irischen laid-back Modus übe ich noch und bis dahin finde ich es vollkommen okay mal nachzufragen, wenn am Freitag immer noch nicht die Zeitpläne für die Unikurse am Montag einzusehen sind!
Den ersten Teil vom Irlandtagebuch findet ihr hier (1).