Wie machen die das? Kreativköpfe wie Schriftsteller, Grafiker und Illustratoren müssen einen enormen Output an Ideen & Konzepten haben, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Nicht immer geht es nur um die Kunst und ab und zu kommt das Gefühl auf, dass vor lauter Gedanken und Arbeit der Kopf hyperventiliert. Wie soll man da noch kreativ werden und sich möglichst originelle Ideen für Kunden ausdenken, wenn man gar nicht weiß, was man zuerst machen soll? Wir sprachen mit einer, die es wissen muss & haben ihr ein paar Tipps für euren kreativen Alltag entlockt. Ein Interview mit Illustratorin Anna Gusella.
Wie arbeiten Kreative eigentlich? Und welche Tricks braucht man in so einem Arbeitsumfeld? Dass es keine Blaupause oder den einen Plan gibt, den man beliebig auf einen selber anwenden kann, habt ihr euch schon fast gedacht, oder? Aber es gibt Hilfsmittel, um sich locker zu machen.
Auf meiner Suche nach dem ultimativen Fahrplan für kreative Jobs traf ich Anna Gusella, eine begabte Illustratorin aus Berlin , die weiß, wie man sich inspiriert und Arbeitsthemen findet. Vor Kurzem ist ihr neuer Kalender erschienen, für den sie viele Stunden den Stift schwingen musste
Liebe Anna, wie kamst du zum Zeichnen?
Gezeichnet habe ich eigentlich schon immer. Ob als Kind oder später — das hat mir einfach viel Spaß gemacht — überhaupt kreativ zu arbeiten. Es hat mich immer begleitet, dabei habe ich nicht „nur“ gezeichnet oder gemalt: auch Keramik, Fotografie oder Nähen fand und finde ich spannend. Als es an die Berufswahl ging, wusste ich daher, dass ich gerne kreativ arbeiten möchte.
Das Studium der visuellen Kommunikation hat mir dann die ganze mögliche Bandbreite gezeigt und ich habe mich auch lange nicht festlegen wollen. Ich war neugierig, wollte alles auszuprobieren, von Fotografie, über Interfacedesign, klassischem Grafikdesign, zu Typografie und Schriftgestaltung bis hin zu Illustration. Mit dem Wechsel zur Kunsthochschule Berlin-Weißensee und der wunderbaren Professorin Nanne Meyer hat sich mein Interesse für Zeichnung und Illustration herauskristallisiert.
Woran arbeitest du aktuell bzw. welches war dein letztes Projekt?
Im Moment arbeite ich an einem neuen Buchprojekt: Der Text ist aus den 20er Jahren und doch sehr aktuell. Es geht um Revolution und Philosophie. Aber im Moment bin ich noch ganz am Anfang. Mein zuletzt abgeschlossenes Projekt war der limitierte Kalender „Nomen est Omen“ für 2016, den man auch in meinem Webshop kaufen kann. Diesmal habe ich mich mit der Bedeutung der Monatsnamen beschäftigt. Die passende Erklärung findet man auf einem gesonderten Blatt am Ende. Die Illustrationen habe ich alle von Hand gezeichnet und für die Reproduktion digitalisiert. Ich versuche manchmal in ganz normalen, alltäglichen Sachen einen Raum zu schaffen, der das Potential bietet für neue spannende Denkanstöße.
Ich finde es immer spannend mit Text zu arbeiten bzw. auch in ganz alltäglichen und kleinen Dingen neue Aspekte und Hintergründe zu finden.
Anna Gusella
Welche Arbeitsprozesse gibt es bei dir und wie gehst du genau vor?
Es hilft mir immer, wenn ich ein Thema habe bzw einen festgelegten Rahmen (z.B. Format, Stil oder Farbe). Um diese zu definieren, zeichne ich viel am Anfang, versuche unterschiedliche Richtungen auszuprobieren, verschiedene Möglichkeiten durchzuspielen, bevor ich mich festlege. Das Arbeiten mit den Händen, das bewusste Sehen, Intuition, Reflexion und der Austausch mit Freunden und deren Meinung spielt dabei eine wichtige Rolle.
Hast du ein bestimmtes Vorbild und woher holst du dir deine Inspiration?
Ich habe kein bestimmtes Vorbild. Es gibt viele Künstler, die mich inspirieren und faszinieren, wie zum Beispiel Hokusai, Picasso, Steinberg oder auch aktuelle wie Brecht Evens, Yann Kebbi oder Jordy van den Nieuwendijk. Aber Inspiration finde ich fast überall, in Literatur, Musik, bei Gesprächen mit Freunden oder einfach in meiner Umgebung.
Hast du Arbeitsrituale?
Eigentlich nicht wirklich. Obwohl vielleicht doch eines: Bevor ich anfange, räume ich meist meinen Arbeitsplatz auf. Irgendwie habe ich das Gefühl besser arbeiten zu können, wenn zumindest am Anfang Ordnung herrscht.
Wie würdest du deinen Stil beschreiben?
Das ist eine schwierige Frage: neugierig, offen und vielseitig? Ich versuche mich nicht auf einen Stil festzulegen, offen zu bleiben, neues auszuprobieren und mich damit selbst auch zu fordern. Einen Stil zu reproduzieren, den man eh schon kann und der einem vertraut ist, finde ich auf Dauer langweilig. Aber das ist manchmal auch eine Zeitfrage, denn mit jedem Projekt etwas Neues zu finden, bedeutet auch viel Auszuprobieren und einige Fehlschläge auf sich zu nehmen bevor man eine Richtung findet, die zur jeweiligen Thematik passt.
Was waren Stolpersteine für dich auf dem Weg zur Freiberuflichkeit und hast du Empfehlungen für angehende Freiberufler?
Ich muss sagen, dass ich viel Glück hatte. Mein Nebenjob aus dem Studium als Graphic Assitant, bei dem ich auch viel illustrieren durfte, bot mir nach dem Abschluss eine Teilzeitstelle an. Dadurch hatte ich genug Zeit für freie Aufträge als Illustratorin und dennoch ein regelmäßiges finanzielles Einkommen. Ich habe immer viel gearbeitet und konnte letzten Endes den Job zugunsten der Selbstständigkeit kündigen. Auch wenn eine Festanstellung viel Sicherheit bietet, finde ich die Arbeit als Freiberuflerin herausfordernder. Man beschäftigt sich mit einer Vielzahl unterschiedlicher Themen und neben Aufträgen hat man im Idealfall auch den Freiraum für eigene Projekte, wie zum Beispiel für meinen Kalender 2016. Das ist bei einem Vollzeitjob schwer möglich.
Einsteigern kann ich empfehlen sich gut umzuschauen, auf kleinen Festival oder Buchmessen Kontakte zu knüpfen und vor allem sich auch mit etablierten Künstlern/Kollegen auszutauschen. Für alle Illustratoren empfehle ich einen Blick auf die Seite der Illustratoren Organisation.
Noch mehr Arbeiten von Anna und den Webshop findet ihr unter www.annagusella.de oder schaut auf ihrem Facebook-Profil vorbei.